Heute war der Himmel zum ersten Mal seit langer Zeit richtig bedeckt. Hatte aber den Vorteil, dass auch der Wind mal eine Pause
einlegte. Kam mir zumindest so vor. Ohne eine kräftige Brise von vorn kann ich mir das Radfahren schon gar nicht mehr vorstellen ... ;-)
Im Vergleich zu den Tagen vorher gönnte mir auch die Landschaft eine Verschnaufpause, zum einen nicht so aufregend und zum anderen
schön flach. Es standen nur auffällig viele Ruinen neben der Straße. Soll auch das Werk der Nepalis sein, die hier im 18. Jhdt.
durchmarschierten. Zum Mittagessen fand ich ein Restaurant in Gutso, ein schönes Dorf. Das Essen war lecker und ich war
natürlich der einzige Gast, wie sollte es anders sein. Die Köchin hielt mir einen Schlegel Trockenfleisch unter die Nase und meinte,
ob ich das will. Sah nicht so verlockend aus, aber mangels Alternativen stimmte ich zu. Serviert wurde schließlich Reis mit
Kartoffeln und ein paar Fetzen Fleisch. Schon lecker, aber ich sehne mich wirklich nach einem Essen, wozu man Gabel und Messer
braucht.
Das Fahrrad hat Macken ohne Ende, irgendwas kratzt und scheppert unaufhörlich. Will es aber jetzt nicht zerlegen, wer weiß, ob ich
das dann wieder hinbekomme. Mit Schrecken denke ich an den Reparatur-Tag in Baipa zurück. Ein Hotel fand ich in Sumo. Sehr
primitiv, aber verwöhnt bin ich ja wahrlich nicht mehr. Morgen steht der letzte Pass an, die Himalaya-Überquerung sozusagen.
Was für eine Vorstellung! Ja und dann soll es nur noch bergab gehen.
Abendessen, lecker, aber vielleicht zerschneide ich nächstes Mal die Nudeln um nicht aus der Übung zu kommen. Ach ja, ich war der
einzige Gast. Interessant auch die Familienordnung, der Mann ist absolutistischer Chef hier und die Frauen wusseln nur so herum.
Nur keine Sekunde untätig rumstehen und wenn der gleiche Topf das zehnte Mal poliert wird. Im Gastraum hängt an der Wand ein
Poster von der Erzherzog-Johann-Höhe mit Großglockner. Der Chef ist völlig davon überzeugt, dass der in der Schweiz
steht und findet das alles wunderschön. So hat halt jeder sein Shangri-la, an dem er seine Sehnsüchte festmachen kann ...
25.10.03 - 17. Etappe: Doppelpass
Etappe
Sumo - Lalung La - Yarle Shung La - Yarle
Kilometer
63 km
Höhenmeter
700 m
Ich wache auf, schau aus dem Fenster und was ist das? Alles weiß! Es hat über Nacht zu schneien angefangen. Was nun? Hier einen
Tag im Tal abhängen will ich auf gar keinen Fall. Also probiere ich es mal. Der Schneefall hat den Vorteil, dass es nicht allzu
kalt ist. Zwischendurch meinen wieder mal ein paar Gören, sie müßten einen Stein auf mich werfen. Dass ich dann aus 30 m Entfernung
auch einen Treffer landen kann, hat nicht nur mich überrascht ... Der 1. Paß (Lalung La) war grausam. Eine sandige Piste machte
das Vorwärtskommen zur Qual. Gesehen hab ich nicht viel
im Schneetreiben, welches aber nicht allzu heftig war. Zum Glück blieb der Schnee auf der Straße auch nicht liegen. Kaum hat man
den ersten Paß geschafft, geht es zunächst 150 Hm über 5 km wieder runter und dann 9 km bis auf 5080 m hinauf. Leider nun aber
mit extremen Gegenwind. Schließlich stand ich wieder mal am höchsten Punkt, nun aber vollends im Nebel und es hagelte. Das ist
also meine Himalaya-Überquerung. Naja, irgendwie angemessen, dass man dabei schlechtes Wetter hat. Von nun an soll es ständig
bergab gehen. Der längste Downhill dieser Erde liegt zu meinen Füssen.
So rollte ich also runter und mit jedem Meter wurde das Wetter besser und der Gegenwind heftiger. Guesthouses gab es mal wieder
keine und so begnügte ich mich mit einem halbwegs windgeschützten Platz bei einer Brücke nach Yarle. Ein Berg um die Ecke sieht
verdammt gut und hoch aus. Ein Blick auf die Karte und ins Tibet-Overland-Buch bestätigen mir, dies ist die Shisha-Pangma. Mit
8012 m der kleinste unter den ganz Großen.
26.10.03 - 18. Etappe: South-East-Face of Mt. Shisha Pangma
Etappe
Yarle - Nyalam
Kilometer
45 km
Höhenmeter
200 m
Die Nacht war schon ziemlich windig und den Tag über sollte es immer schlimmer werden. Wir reden hier natürlich von Gegenwind.
Gleich ein paar Meter nach dem Platz, wo ich gecampt hatte, führte rechts ein recht guter Weg hoch zu einem Dorf names Ngoru.
Kurz davor hat man einen sensationellen Blick auf die Süd-Ost-Wand der Shisha Pangma. Klar, dass ich da hochradelte und ich
sollte es nicht bereuen. Nach 7 km von der Abzweigung hat man freien Blick auf den Berg. Einfach nur umwerfend! Das soll also
der leichteste 8000er sein. Ich glaub es nicht. Definitiv der schönste 8000er den ich bisher gesehen habe.
Zurück am Highway, zurück in der Windschlacht. Prinzipiell geht es zwar immer bergab, nur leider immer wieder gewürzt mit
zermürbenden Gegenanstiegen. Längster Downhill der Erde, soso. Hab ich schon mal den Gegenwind erwähnt? Der war auch noch da und
so benötigte ich für die 30 km nach Nyalam 4h. Nyalam wirkt irgendwie fremdartig auf mich, moderne Gebäude hab ich nun schon
länger nicht mehr gesehen. Ich steig im Snowland-Hotel ab, welches schon viele Expeditionen gesehen hat. Überall hängen Poster
und Aufkleber. Ja und im Hotel gibt es seit neuesten ein Internet-Cafe. Abends sitze ich in einer Karaoke-Bar bei einem
Bier. Meinem ersten, seit ich in Tibet bin. Hab ich mir auch verdient. Es laufen ständig die selber drei Lieder. Ich bin nicht
der einzige Gast, zwei Engländer leisten mir Gesellschaft.
27.10.03 - 19. Etappe: Abwärts
Etappe
Nyalam - Dram / Kodari - Barabise (Nepal)
Kilometer
71 km
Höhenmeter
100 m
Frühmorgens stieg ich bei Saukälte auf das Fahrrad, gab ihm einen kleinen Schubs, rollte 30 km dahin und fand mich mitten im
Dschungel bei sehr angenehmen Temperaturen wieder. So könnte man diesen Tag zusammenfassen.
Nyalam, bedeutet so viel wie "Tor zur Hölle". Woher dieser Name kommt, wird einem klar, wenn man von Nyalam Richtung Nepal fährt.
Gleich hinter der Stadt stürtzt sich der Weg in eine Schlucht, die sich endlos hinabzieht bis Dram, der Grenzstadt zu Nepal.
Die Vegetation nimmt mit jedem Meter zu, bis man im Urwald ist.
Dram ist eine verrückte Stadt. Für hiesige Verhältnisse eine Großstadt mitten an Berghänge geklatscht. Alles ist ziemlich modern.
Da wollten die Chinesen wohl protzen und den Nepalis im Tal unten zeigen, wer hier das Geld hat. Alles nur Fassade. An der
Grenze kann man nicht ganz legal Geld wechseln. Man sollte das aber nicht gleich bei der ersten Gelegenheit machen. Die
Kurse unterscheiden sich gewaltig. Gut, dass wir verglichen haben. Bei der Ausreise muss man mehr ausfüllen als bei der Einreise
und insgesamt bei fünf Grenzpolizisten vorbeischauen. Danach geht es weiter runter, durch Niemandsland. Die Straße ist in
einem fürchterlichen Zustand. Seit sie gebaut wurde, hat man garantiert nichts mehr ausgebessert. Die Szenerie ist beeindruckend.
Mitten in der Schlucht, mit Wasserfällen, Urwald und den entsprechenden Geräuschen dazu.
Schließlich gelangt man zur Kodari-Brücke. Noch mal eine chinesische Grenzstation. Drüben ist Kodari, Nepal. Oben in der Schlucht
hängt Dram am Berghang. Was für eine Szenerie! Mitten auf der Brücke, ein Grenzstrich. Die Nepalis wollen nicht mal meinen Pass
sehen und winken mich einfach durch. Schon bin ich in Nepal und alles wirkt viel freundlicher. Die Menschen sind fröhlich, die
Kinder werfen keine Steine und alle sprechen Englisch. Dazu dieses obergeile Tal, durch das ich fahre. Überall von den Seiten
kommen Wasserfälle. Einen hab ich als Dusche mißbraucht. Das Wasser hatte mindestens 25°C.
Dann, als ich endlich wieder auf Asphalt fahre, bricht doch tatsächlich der Lowrider. Mit einer Rohrschelle konnte ich die Sache
halbwegs flicken. Die ganze Zeit wunderte ich mich schon, warum die Leute auf den Straßen tanzen und alle Lotusblumen-Kränze
tragen. Sind sie jetzt völlig abgehoben, die Nepalis? Nein, es ist Brother&Sister-Festival. Das bedeutet für mich, es ist nicht
einfach ein Hotel zu finden, da alles geschlossen ist. Ich frage einfach jemanden, der vor einem Hotel steht und siehe da, es ist
der Besitzer. Der ist sehr nett und gibt mir ein Zimmer. Ich bin in Barabise. Abends findet der Höhepunkt des Festivals statt,
kleine Tanzeinlagen auf dem Marktplatz. Drum herum hat sich sehr viel Militär postiert.
Wegen der Maoisten, den nepalesischen Rebellen, herrscht eine ziemlich angespannte Lage. Um acht Uhr wurde eine Ausgangssperre
verhängt. Mein Gastgeber erzählt mir, dass gestern abend Maoisten in ein Dorf 6 km von hier eingefallen sind und die Bewohner
ausgeraubt haben. Na dann gute Nacht! Zum Abendessen gibt es, wie könnte es anders sein in Nepal, Dhal Bhat ...
28.10.03 - 20. Etappe: Es muss nicht immer ein 5000er-Pass sein ...
Etappe
Barabise - Dhulikhel
Kilometer
58 km
Höhenmeter
1200 m
Es ging weiter bergab, aber in einer nicht ganz so fotogenen Landschaften wie gestern. Der schlimmste Feind des Radlers ist in
Nepal der Hund, soviel ist mir jetzt klar. Aber absteigen und Steine schmeißen half in 100% aller Fälle. Zwischendurch gab es
mal wieder ein kleinen Pass zu bewältigen, der ging noch locker-flockig in der dicken Luft. Nach dem "Tiefpunkt" dieser Reise
bei Dolalghat (735 m), wartete ein ganz anderes Kaliber auf mich. Es ging wieder hoch bis Dhulikhel auf 1605 m. Das ganze zog
sich über 30 km einfach unglaublich in die Länge und das alles meist ziemlich steil. Zwischendurch verlor man immer wieder
wertvolle Höhenmeter bei Abfahrten. Dazu kam noch die mörderische Sonne, es hatte über 30°C und so hätte es mich kurz vor
Dhulikhel fast vom Radl gehauen. Das Fahrrad wird auch bald schlapp machen, die Kette rattert nur noch, mir ist das Öl zum
Schmieren ausgegangen.
In Dhulikhel bin ich im Mount View Hotel abgestiegen, welches seinen Namen alle Ehre macht. Das Dorf selber ist ziemlich
übersichtlich, hat aber seine Reize mit Hindi-Tempeln und alten Newar-Gebäuden. Newar heißt die hier ansässige Volksgruppe.
Abends im Hotel war ich natürlich wieder der einzige Gast weit und breit. Aber das wird sich morgen in Kathmandu ändern. Hier in
Dhulikhel gab es schon um sieben Ausgangssperre.
29.10.03 - 21. Etappe: Zieleinfahrt
Etappe
Dhulikhel - Kathmandu
Kilometer
29 km
Höhenmeter
0 m
Ich schaute mir den Sonnenaufgang vom Dach des Hotels an, wo man einen sagenhaften Blick auf den Himalaya hat. Dann also ging
es los zur letzten Etappe. Der Verkehr nahm zu und in der Ferne konnte man schon die Smokglocke über Kathmandu erkennen. Vom
letzten Nepal-Urlaub hatte ich so ungefähr eine Idee, wie ich nach Thamel kommen konnte. Ich wollte wieder ins Tibet-Guesthouse.
Es folgte der mit Abstand gefährlichste Abschnitt auf der Strecke Lhasa - Kathmandu. Radfahren in Kathmandu ist kein Spaß.
Jeder fährt wie er will und wenn ein Stein auf der Straße liegt, wird so lange gehupt, bis der Stein von selber aus dem Weg geht.
Ich hatte noch einige Wegmarker in Erinnerung, die ich auch zielsicher fand, den Flughafen, Pashupatinat, Royal Palace und
schon ist man im Thamel. Da war ich also wieder im Tibet-Guesthouse und alles ist wunderbar. Endlich eine heiße Dusche!
Was macht der Tourist in Thamel, er kauft Sachen, die er eigentlich gar nicht braucht, so auch ich. Auch den Durbar Square
schaute ich mir noch mal an. Da wird jetzt auch Eintritt verlangt. Über Seitengassen kann man dem aber gut entgehen.